Androgynie meint, dass es keine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Geschlecht geben kann, da männliche und weibliche Erscheinungsmerkmale miteinander verbunden sind. So gibt es zum Beispiel Frauen mit derben oder eher markanten Gesichtszügen, und es gibt Männer mit sanftem, femininem Aussehen.¹ Weitere faszinierende Besonderheiten der Androgynie zeigt dieser Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
Definition: Androgynie
Androgyne Männer und Frauen weisen optische Kennzeichen auf, welche sich nicht eindeutig einem bestimmten Geschlecht zuteilen lassen. In den meisten Fällen sind diese Merkmale selbstgewählt. Demgemäß tragen beispielsweise viele androgyne Männer ihr Haar gerne länger oder sie schätzen es, sich zu schminken. Viele Frauen des androgynen Typs rasieren sich hingegen das Haar ab oder tragen es sehr kurz oder stylen sich bewusst jungenhaft. Insbesondere die Vertreter des weiblichen Geschlechts, welche eine auffallend knabenhafte Figur haben, wirken häufig androgyn.
Herkunft & Bedeutung Androgynie
Der Begriff Androgynie stammt ursprünglich aus dem griechischen Sprachgebrauch. Es verbindet die beiden Worte aner – Mann – und gyne – Frau miteinander. Insofern bedeutet Androgynie übersetzt so viel wie „männliches und weibliches Aussehen vereinend“.² Im Volksmund spricht man in dem Zusammenhang oft fälschlicherweise von einer „Zwitterhaftigkeit“.
Geschichte der Androgynie
Androgynie gab es schon immer. In vielen altertümlichen Dokumenten ist von einer so genannten Doppelgeschlechtlichkeit die Rede. Viele Götter der Antike werden androgyn dargestellt. Selbst in den Hochkulturen waren androgyne Gottheiten überaus weit verbreitet. Ob im alten Griechenland, in China, in Ägypten oder gar in Mittelamerika – Androgynie galt bereits in grauer Vorzeit als normal.
Anders hingegen sah es offenbar in indigenen Kulturen aus. Tatsächlich gibt es bis heute keine Belege dafür, dass das Thema Androgynie mit Blick auf die Geschichte bei den Mayas, Inkas, Olmeken oder Azteken je eine Rolle gespielt hätte. Androgyne Gestalten wurden seinerzeit überwiegend zweigeteilt dargestellt. Zahlreiche Dokumente und Bilder belegen, dass üblicherweise die linke Körperhälfte weiblich gezeichnet war, während die rechte Hälfte männlich-markante Eigenschaften aufwies.
Wesen dieser Art wurden von den Menschen der damaligen Epochen als vollständig, ebenmäßig oder moralisch wertvoll akzeptiert. Denn sie waren gewissermaßen ein Sinnbild für die ausgewogene Balance zwischen Männlichkeit und Femininität. Je nachdem, ob die Androgynie naturgegeben oder von den jeweiligen Personen gezielt in Szene gesetzt wurde, sie in manchen Zeiten entweder als unnatürlich oder als göttlich. Im letzteren Fall wurden die androgynen Menschen als glückvoll, erfolgreich und erhaben angesehen.
Androgyne Typen, die ihre männlich-weiblichen Eigenschaften hingegen bewusst in den Fokus rückten, wurden bei einem Blick in die Historie der Androgynie eher belächelt oder gar für ihr Verhalten abgestraft. An dieser Stelle ist eine deutliche Verbindung zwischen der Antike und der modernen Zeit erkennbar. Denn auch heute werden manche androgyne Personen eher skeptisch betrachtet oder gar belächelt.
Relevanz & Bedeutung in der Gesellschaft
Offenbar wurde die Androgynie weder in der Geschichte der Menschheit, noch in der heutigen Gesellschaft vollumfänglich als etwas Normales oder Selbstverständliches betrachtet. Wenngleich es in grauer Vorzeit Kulturen oder gesellschaftliche Kreise gab, in denen Androgynie einen besonders hohen Stellenwert hatte und gemischtgeschlechtliche Menschen teils sogar angebetet wurden. Gleichzeitig existierten Völker und Gruppierungen unterschiedlichster Art, die das Androgyne eher ablehnten und sogar verfolgten.
In der modernen Gesellschaft wiederum ist „Individualität“ ein höchst bedeutsames Schlagwort. Augenscheinlich ist nahezu jeder Mensch bestrebt, seine eigene Persönlichkeit nicht nur zu leben oder im sozialen Umfeld zu vertreten, sondern sie mit Nachdruck zu behaupten und immer wieder in Szene zu setzen. Social Media macht es möglich. Schwarze werden derzeit buchstäblich hochgejubelt und Schwule und Lesben sowie entsprechende Gruppierungen sind ebenfalls massiv bestrebt, die eigenen Belange, Ansichten und Einstellungen nach außen hin zu tragen. Angesichts dessen könnte der Eindruck entstehen, als sei es nicht normal, schwarz oder weiß, schwul, lesbisch oder heterosexuell zu sein.
Wenn man es also genau nimmt, bestünde demnach nicht der geringste Anlass dafür, diese Eigenschaften, Lebensweisen oder Attribute in den Fokus zu rücken. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Genauso verhält es sich mit der Androgynie. Manche Blogger und Influencer kleiden sich bewusst androgyn, um sich mit dieser eigentlich doch sehr gewöhnlichen – ja, sogar normalen bzw. selbstverständlichen – Thematik auseinanderzusetzen. Selbst wenn man als androgyne Person einzigartig ist, bieten die sozialen Medien eine willkommene Plattform, um mit Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen, Netzwerke zu bilden, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken – und um aufzufallen…
Merkmale der Androgynie
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Was zeichnet Androgynie aus?
Androgyne Männer wirken eher weiblich, während Frauen des androgynen Typs männliche Merkmale aufweisen, wie zum Beispiel eine knabenhafte Figur, ein kantiges Gesicht oder flache Brüste. Bei Männern wiederum ist der Bartwuchs nicht sonderlich ausgeprägt, die Gesichtszüge sind eher weich und feminin, und auch ihre Stimme ist höher als bei vielen Geschlechtsgenossen. -
Warum sind androgyne Personen angeblich außergewöhnlich?
Diese Frage kann gut mit vor dem evolutionären Hintergrund betrachtet werden. Der Mensch „lernt“ von Kindheit an, welche typischen optischen Merkmale einen Mann und eine Frau auszeichnen. Diesbezüglich kann der Hinweis auf Babys, die an der Mutterbrust trinken, sicherlich hilfreich sein. Das Gehirn speichert all diese Eigenarten und Merkmale im Laufe des jungen Lebens ab. Dadurch werden Männer auf den ersten Blick als Mann wahrgenommen, während das Gehirn bei Frauen ebenfalls in Sekundenbruchteilen erkennt, dass es sich um eine Vertreterin des weiblichen Geschlechts handelt.
Daher empfinden es viele Menschen zunächst als ungewohnt, wenn sie einer androgynen Person gegenüberstehen, bei denen die im Gehirn „abgespeicherten“ Merkmale fehlen oder nur wenig ausgeprägt sind. Sicherlich gibt es Menschen, die sich von einem solchen Erscheinungsbild eher abgeschreckt oder verunsichert fühlen. Die meisten Männer und Frauen in unserer Gesellschaft nehmen die Androgynie jedoch längst als normal und gottgegeben wahr.
Androgynie unter psychologischen Aspekten
In Anlehnung an die sozialpsychologische Literatur aus der Zeit der 1950er oder 1960er Jahre waren die Rollen von Mann und Frau klar abgegrenzt. Der Mann galt als der Starke, als die Person, die von früh bis spät arbeitete und das Geld für Frau und Kinder nach Hause brachte. Die Frau hatte sich unterzuordnen. In der arabischen Gesellschaft ist dies aus nicht nachvollziehbaren Gründen noch immer so. In der modernen, fortschrittlichen westlichen Welt hingegen galt die Frau zwar in der Nachkriegszeit noch als ein Wesen, das sich dem Mann unterzuordnen hatte.
Im Laufe der Zeit hat sich dies jedoch geändert. Das Bild der Frau ist mit dem aus vergangenen Zeiten kaum noch vereinbar. Dem Mann wurden oftmals die Rollen des Jägers und Sammlers, des Beschützers, des Kämpfers und des selbstbewussten Abenteurers zugeschrieben. Frauen gehörten an den Herd. Aber ihr Freiheitsdrang wuchs und half ihnen dabei, sich aus dieser althergebrachten Rolle zu drängen.
Demnach gilt das weibliche Geschlecht heute ebenfalls als stark, abenteuerlustig und selbstbewusst. Derartige Eigenschaften werden androgynen Personen – zumindest auf den ersten Blick – nicht unbedingt zugesprochen. Insofern ist es an der Zeit, der Androgynie eine besondere Bedeutung zuzuschreiben und sie mehr in den Fokus zu rücken.
Die beiden Begrifflichkeiten Männlichkeit und Weiblichkeit bergen unterschiedliche Konstrukte und Charakteristika in sich.³ So steht diesbezüglich im Wesentlichen der körperliche Aspekt im Fokus. Männliche und weibliche Verhaltensweisen sowie insbesondere das nonverbale Ausdrucksverhalten spielen mit Blick auf den psychologischen Faktor eine zentrale Rolle. Ebenso die geschlechtsspezifischen Aktivitäten, Interessen und Werte. Generell werden drei verschiedene Ebenen der Geschlechterrollen unterschieden:
- das biologische Geschlecht
- die spezifische soziale Rolle des jeweiligen Geschlechts
- psychologisches Konstrukt
Psychologische Charakteristika, die den Mann auszeichnen, sind in erster Linie der Abenteurergeist, die Unabhängigkeit, die Beschützerrolle und die Kämpfernatur. Bei Frauen sind es hingegen Wärme, Güte, Emotionalität und Einfühlsamkeit sowie nicht zuletzt die Sorge um nahestehende Menschen.
Wie sich die psychologischen Eigenschaften mit Blick auf die Androgynie darstellen, ist noch nicht vollumfänglich erforscht. Einerseits wird vermutet, dass sich bei einer vorliegenden Androgynie die männlichen und weiblichen Charakteristika miteinander vermengen. Anderslautende Meinungen sind hingegen, dass sich in vielen Fällen bei einer Androgynie die psychologischen Strukturen und Muster des männlichen Geschlechts zeigen und die weiblichen mitunter in den Hintergrund gedrängt werden.
Inwiefern diese Behauptung jedoch tatsächlich von Relevanz ist, wird gegenwärtig noch erforscht. In dem Zusammenhang greift die Wissenschaft unter anderem auf die evolutionäre Entwicklung des Menschen sowie auf die Mythologie zurück.⁴
Bekannte, androgyne Persönlichkeiten
Das Sinnbild für Androgynie, wenn man an berühmte Menschen denkt, ist sicherlich David Bowie. Nicht nur aufgrund seiner knabenhaften Figur und der bemerkenswerten Stimme, sondern auch, weil er gerne mit seiner Androgynie kokettierte, ist er unsterblich geworden.
Darüber hinaus stehen die US-amerikanische Schauspielerin Ruby Rose und das Model Cara Delevigne aufgrund ihrer Androgynie häufig im Fokus. Weitere berühmte Persönlichkeiten sind Bianca Jagger, Jaden Smith und Pattie Smith. Sie setzen sich seit vielen Jahren für eine weltweite Anerkennung der Androgynie ein. Als deutsches „Sternchen“ in puncto Androgynie ist Bill Kaulitz zu nennen.
Quellennachweise
¹ Kirsch, Sarah (2021): Was bedeutet androgyn? Wir klären auf! Online verfügbar unter: https://www.gentside.de/liebesleben/was-bedeutet-androgyn-wir-klaren-auf_art17188.html, zuletzt geprüft am 11.03.2022.
² Androgyn.org (o.J.): Was zur Hölle bedeutet eigentlich androgyn? Online verfügbar unter: https://www.androgyn.org/, zuletzt geprüft am 11.03.2022.
³ Biologie Seite (o.J.): Androgynie. Online verfügbar unter: https://www.biologie-seite.de/Biologie/Androgynie, zuletzt geprüft am 11.03.2022.
⁴ Wikipedia. Die freie Enzyklopädie (Bearbeitungsstand 7. März 2021, 22:49 Uhr): Androgynos. Online verfügbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Androgynos, zuletzt geprüft am 11.03.2022.