Shibari

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Wer an Seile und Fesseln denkt, hat stets das klassische Bondage im Sinn. Doch Shibari ist eine besondere Fesselkunst, und findet auch in westlichen Ländern immer höheren Anklang. Vor allem in BDSM-Studios wird diese hohe Kunst des Fesselns immer häufiger angeboten, und von den Kunden gewünscht. Der neue Trend aus dem fernen Osten ist aber gar nicht so neu, wie er auf den ersten Blick scheinen mag. Hinter Shibari verbirgt sich eine lange Kunst des Fesselns, die gelernt sein sollte.

Definition: Shibari

Shibari kann mit „Festbinden“ und „Fesseln“ übersetzt werden. Im alltagssprachlichen Gebrauch ist diese Kunst auch als japanisches Bondage bekannt. Ursprünglich wurde diese Fesselkunst der militärischen und polizeilichen Fesselkunst Japans entnommen. Oftmals wird der Terminus auch mit Kinbaku synonym verwendet

Unterschied zum westlichen Bondage

Die Fesselkunst aus Japan unterscheidet sich grundlegend vom westlichen Bondage. Während dieses vor allem für die Immobilisierung und für das Einleiten von SM-Praktiken zur Anwendung kommt, zeigt sich Shibari in seiner vollendenden Kunst. Die engen Schnürungen können das Gefühl von Geborgenheit vermitteln, was an das Säuglingsalter erinnern lässt. Der künstlerische Aspekt spielt bei dieser Fesselkunst im Vergleich zum westlichen Bondage ebenfalls eine tragende Rolle. Der Körper wird ausarrangiert und in ansprechenden und ästhetischen Posen dargestellt.

Begriffsherkunft von Shibari

In Japan wird Shibari auch synonym mit Kinbaku verwendet. Kinbaku bedeutet „straffes Festziehen“. Mit Shibari selbst wird lediglich das Schnüren oder Binden bezeichnet. Im übertragenen Sinn bedeutet dies auch eine vertragliche Bindung.

Shibari in Europa bedeutet die ästhetische und künstlerische Form des Fesselns. Wohingegen Kinbaku als sinnliche, sexuelle und verbindende Praxis bezeichnet wird. Es gibt keinen Beleg dafür, dass diese Unterscheidung auch in Japan zum Einsatz kommt.

Offensichtlich gibt es bezüglich des Terminus einen Irrglauben. Shibari wird in Japan zwar mit zahlreichen Techniken der Fesselkunst in Verbindung gebracht. Es sei allerdings nicht üblich, dass die gesamte Kunst als Shibari bezeichnet werde. In japanischen Bondage-Kreise wird vor allem Kinbaku verwendet.

Es wird angenommen, dass in Japan die beiden Termini Shibari und Kinbaku austauschbar seien, was aber nicht so ist. Einen Re-Transport aus dem westlichen Sprachgebrauch nach Japan lässt sich nicht untermauern.

Konkrete Begriffsklärung

  • Kinbaku: „die enge Fesselung“. Außerhalb des BDSM-Bereiches wird dieser Terminus nicht mit dem erotischen Fesseln in Verbindung gesetzt.
  • Kinbakushi: Hierbei handelt es sich um den Meister in Kinbaku.
  • Shibari: Fesseln, Weben oder Binden. Es gibt außerhalb der Szene keinen Bezug zum Fesseln.
  • Shibaru: Hierbei handelt es sich um das Verb.
  • Nawa Shibari: Seilfesseln. Dieser ist lediglich erfunden und existiert im japanischen Sprachgebrauch nicht.
  • Nawashi: Seilmeister. In der Bondage-Szene wird hiermit ein professioneller Fesselkünstler bezeichnet.

Geschichtlicher Hintergrund

Die Geschichte von Shibari reicht in Japan weit zurück, und kann in die Edo-Zeit von 1600 bis 1868 verortet werden. Fesseltechniken kamen zu dieser Zeit bei Folterungen und Gefangentransporten zum Einsatz. Die Fesselkunst als sexuelle Aktivität kann dieser Epoche zugeschrieben werden.

In der Moderne lässt sich Shibari kaum noch aufhalten. In der späten Meiji- und Showa-Zeit beschäftigte sich Seiu Ito ausgiebig mit dem Hojojutsu. Hierbei handelt es sich um die Fesselung von Kriegsgefangenen. Dies lässt sich als Ursprung von Shibari verorten. Ito ließ sich allerdings auch von anderen Kunstformen wie dem Kabuki-Theater und dem Holzschnitt beeinflussen.

In den 1950er Jahren wurde diese Fesselkunst durch einige japanische Zeitschriften bekannt. In diesen gab es die ersten Veröffentlichungen von Fesselungen nackter Personen. Die ersten Live-Auftritte mit SM-Einlagen gab es in den 1960er Jahren zu verzeichnen. Oftmals beinhalteten diese Shows eine Vielzahl an Fesselungen.

Matthias Grimme und Osada Stevens machten Shibari in Europa bekannt. Osada brachte die japanische Fesselkunst in den 2000er Jahren nach Europa. Nach und nach etablierte sich diese Kunst in der BDSM-Szene.

Anwendung Shibari

Es gibt beim Shibari zwei Akteure:
Rigger: Hierbei handelt es sich um den aktiven Part. Dieser Part fesselt.
Rope-Bunny: Der passive Part lässt sich fesseln. Neutraler wird dieser Part auch als Model bezeichnet.

Shibari zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass keine Gewalt angewendet wird. Es geht in erster Linie darum, dass der Rigger beim Rope-Bunny mit Hilfe der Fesselkunst unterschiedliche Emotionen hervorruft. Bei richtiger Fesselung können Rauschzustände eintreten, da körpereigene Opiate ausgeschüttet werden. Der Rigger wird aufgrund dieser Tatsache auch immer wieder als Meditationsunterstützer bezeichnet.

Der Rope-Bunny begibt sich in die Obhut des Riggers. Durch die vertrauensvolle Hingabe wird die Kontrolle vollkommen abgegeben. Es geht um das Wohlergehen des Bunnys. Und dieses kann nur erzielt werden, wenn die vollkommene Kontrolle und Verantwortung an den Rigger übergeben wird. Grundsätzlich erweist sich der aktive Part dieser Aufgabe würdig, und nutzt die Gelegenheit zu keinem Moment der Fesselung aus. Er handelt demnach risikobewusst und umsichtig. Der Bunny wird über die gesamte Session hinweg im Auge behalten. Gibt es Probleme schreitet der Rigger sofort ein.

Das Kommunizieren der Seile

Wer sich mit Shibari befasst, wird immer wieder darauf stoßen, dass über die Seile kommuniziert wird. Der Rigger hat zu jedem Moment der Session die Möglichkeit über die Festigkeit der Seile zu entscheiden. Je nach Reaktion des Bunnys wird er die Seile fester oder lockerer spannen. Er wartet demnach auf die Resonanz seines Gegenübers. Es gibt bei den Fesselungen zahlreiche Nuancen, die zum Einsatz kommen können, und sich stets nach den Bedürfnissen des Bunnys ausrichten. Die Spannung der Seile ruft beim Bunny Reaktionen hervor, auf die der Rigger wiederum reagiert

Ästhetik von Shibari

Seile, die sich kunstvoll um den Körper eines Menschen schlingen, finden schon seit Jahrtausenden ihren Einzug in die Kunst. Der erotische Aspekt wird vor allem durch den nackten Körper hervorgerufen. Der Bunny muss aber nicht immer entblößt gefesselt werden. Oftmals werden die Seile beim Shibari über den Kleidern angelegt. Dadurch werden der künstlerische und der ästhetische Aspekt der Fesselkunst in den Vordergrund gestellt. In den meisten Fällen ist das Bunny mit einem Kimono bekleidet. Die Seile werden kunstvoll über das Kleidungsstück gespannt. Diese Verhüllungskunst erinnert hierbei an Christo.

Der optische Reiz wird vor allem durch die Kombination der nackten Haut und der Verhüllung geboten. Der Rigger kann während der Session auch entscheiden, dass er das Model mit Scham besetzt. Dann wird in den meisten Fällen ein Teil des Körpers entblößt (der Busen). Dies kann zu einem enormen Spannungsfeld beim Rollenspiel werden, das sich zwischen Exhibitionismus und Schamgefühl bewegt.

Der Bezug zu Wabi-Sabi

Es finden sich bei Shibari Ähnlichkeiten zum japanischen Minimalismus und zum Understatement. Diese Aspekte zeigen sich auch in der japanischen Teekunst, in der Blumensteckkunst und in der Zen-Garten-Tradition.

Was gibt es über die Seile zu wissen?

Die Qualität der Seile spielt bei Shibari eine tragende Rolle. Diese sollten nicht nur eine hohe Qualität aufweisen. Das Material sollte so gewählt werden, dass alle Beteiligten sich wohl fühlen. Generell werden folgende Materialien verwendet:
Hanf und Jute: Diese Materialien sind härter und eignen sich für Anfänger. Sie bedürfen allerdings auch spezieller Pflege, damit die Oberflächen nicht rau werden. Die Seile können im Wäschetrockner getrocknet werden, wodurch sie weicher werden. Öle sollten nur mit Bedacht angewendet werden, damit die Seile nicht glitschig werden.
Baumwolle: Das Material ist weicher, die Knoten lassen sich allerdings nicht immer problemlos lösen. Die Seile eignen sich vor allem für die Bodenfesselung. Sie können problemlos bei hohen Temperaturen gewaschen werden.
Gelegentlich bestehen die Seile aus Nylon. Der Einsatz dieses Materials wird kontrovers gesehen.

Seil und Knoten: Shibari

Das Seil wird bei Shibari immer doppelt genommen. In der Mitte entsteht die sogenannte Bucht. Die übrigen Seilenden werden mit einem einfachen Überhandknoten verknotet. Das Seil wirkt aufgrund der doppelten Seilführung wie ein Band. Hierdurch kann die Kraft, die auf das Model wirkt, auf einer größeren Fläche verteilt werden.

Bei der japanischen Fesselkunst werden keine aufwendigen Knoten gesetzt. Der Knoten wird im Japanischen als Mushubi bezeichnet. Die Fesselung startet an einem Startpunkt, und setzt sich von diesem aus, fort. Was ein Knoten ist, ist bei dieser Kunst sehr breit gefasst. Die Seile werden in Fesselrichtung um den Körper geknotet. Sind die Seile zu kurz, werden diese verlängert.

Es gibt unterschiedliche Knoten bei der japanischen Fesselkunst:

  • Nodome: Es gibt einen einfachen Reibungsknoten. Durch den Zug nach dem Knoten, zieht sich dieser fest. Der Knoten folgt der Fesselrichtung.
    Wadome: Dies ist ebenfalls ein einfacher Reibungsknoten. Durch den Zug vor dem Knoten, zieht sich dieser fest.
  • Hito Musubi: Dies ist ein Teilknoten.
  • Hibari Musubi: Hiermit wird das Seil verlängert. Es wird an das Querseil angeknüpft.
  • Säulenfessel: Hierbei handelt es sich um eine zuziehende Schlinge. Diese wird verwendet, um Arme, Beine und Hüften zu fesseln.

Techniken im Shibari

Shibari beruht auf Seilmustern. Viele wurden von den Hojojutsu-Fesseln abgeleitet, um das Kinbaku sicherer zu machen. Es gibt grundlegende Fesselungen, die geübt und vermittelt werden.

  • Ushiro Takatekote: Diese Kastenfesselung umfasst die Arme und die Brust, und bildet die Grundlage für die japanische Fesselung.
  • Ebi-Shibari: Hierbei handelt es sich um eine ursprüngliche Folterfessel. Heutzutage hat diese Fesselkunst ihren Einzug in den BDSM-Bereich gehalten.

Es gibt eine Vielzahl an Shibari-Techniken. Manche von ihnen dienen lediglich der Immobilität. Andere wiederum sollen die Ästhetik des Körpers hervorbringen.